Hinter Abhinivesha, einem der Kleshas, verbirgt sich eine diffuse Angst, die nicht unbedingt auf einer Erfahrung, sondern auf der Annahme basiert, dass etwas schiefgehen könnte. Im Grunde steckt dahinter Todesangst – die Angst vor der vollkommenen Ungewissheit, denn niemand weiß mit Bestimmtheit, was nach dem Tod geschieht. Aber die Angst vor dem Tod ist nur ein Teil: Abhinivesha wirkt auch im täglichen Leben. Da alles stetigem Wandel unterliegt und es keine letztgültigen Gewissheiten gibt, finden sich auch im Alltag genügend Anlässe, sich von der Angst beherrschen zu lassen. Sorgen im Job, in der Liebe, um die Gesundheit, um die Finanzen, um andere Menschen - die Liste könnte endlos fortgeführt werden.
Zwar hat Angst durchaus ihre Berechtigung und bisweilen eine regelrechte Schutzfunktion; kann der Geist aber nicht zwischen einer berechtigten, realen Angst und einer allgemeinen diffusen Angst vor Unbekanntem unterscheiden, wirkt sich dies als Lähmung auf ihn aus. So gerät er, der Geist, außerstande, mit Klarheit wahrzunehmen, zu entscheiden und zu handeln. Nach Patanjali ist die Angst das Klesha, das am stärksten wirkt und am schwierigsten überwunden wird. Was wohl jeder sofort nachvollziehen kann. Mit ein bisschen Übung jedoch - und da hilft jede Form der Yoga-Praxis, ob Asana, Meditation o.ä. -, und mit viel Geduld, Reflektion und Analyse der Ängste - Wo kommen sie her? Was lösen sie aus? Wie gehe ich damit um? - gelingt es vielleicht zunehmend, sich von diffusen Ängsten nicht mehr so beherrschen zu lassen und vielleicht sogar ganz zu befreien. Und das ist großartig!