oben
Swami Vishnudevananda (1927–1993, Indien) erhielt Ende der 1950er-Jahre von seinem Lehrer, Swami Sivananda Saraswati, den Auftrag, den Yoga in den Westen zu bringen. Er gründete das bis heute existierende „Sivananda Yoga Vedanta Center“ in Montreal (Kanada). Mittlerweile gibt es Sivananda-Zentren in der ganzen Welt, hauptsächlich in Nordamerika und Europa, in denen die fünf Pfeiler der Sivananda-Methode gelehrt werden: Asana-Praxis (häufig als klassischer Hatha-Yoga-Stil bezeichnet), verbunden mit Atemübungen, Tiefenentspannung, Vegetarismus und Meditation.

Folgender Text: Isabel Strohschein

"Sivananda Yoga ist überall: Wer die Kleinanzeigen in Fachmagazinen wie „Yoga Aktuell“ studiert, findet vor allem Kursangebote von Sivananda Yoga Centern: Meditation, vegetarische Kochkurse, Pranayama, Philosophie – die Liste ist lang. Das Marketing der weltweit 80 Center und  Ashrams ist beeindruckend: Fast jeder, der Yoga übt, hat von Sivananda Yoga schon mal gehört. Der Namensgeber ist Swami Sivananda, 1887 in Südindien geboren, hatte schon von Kindesbeinen an Yoga studiert. Als Dr. Kuppuswami praktizierte der junge Mediziner unter anderem in Malaysia, bevor er in Nordindien seinen Guru traf. Nachdem er sich zehn Jahre lang ausschließlich seinem sadhana hingegeben hatte, wurde er ein sehr bekannter Yogalehrer in Rishikesh. Seine Botschaft fasste er in wenige Worte: „Serve, Love, Give, Purify, Meditate, Realize.“

Swami Vishnu-Devananda war schließlich der Schüler, der 1957 von seinem Guru den Auftrag bekam, in den Westen zu gehen, um dort Yoga zu lehren: 1959 eröffnete das erste Sivananda Yoga Vedanta Center des Westens im kanadischen Montreal. Große Bekanntheit erreichte er auch durch seine Begegnung mit den Beatles, denen er 1964 auf den Bahamas Yoga-Unterricht erteilte. Nachhaltige Wirkung hatte seine „Zusammenführung“ von Ravi Shankar und George Harrison, der sich zeitlebens dem Yoga verbunden fühlte und der seine Asche nach seinem Tod im Ganges verstreuen ließ.

Sivananda Yoga bietet neben einem umfänglichen Kurs- und Workshop-System auch Teacher-Trainings an, meist in Vier-Wochen-Programmen. In Europa werden diese in Reith bei Kitzbühel/Tirol und in Frankreich in der Nähe von Orleans angeboten. In Deutschland hat sich die Philosophie des Sivananda Yoga in den Yoga Vidya Zentren niedergeschlagen, die ebenfalls ein riesiges Paket an Aus- und Weiterbildungen anbieten.

Fünf Prinzipien liegen dem Sivananda Yoga zugrunde:

1. Proper Exercise
Der Körper wird als Vehikel für die Körperreise gesehen. Nur ein flexibler Körper sei ein junger Körper heißt es auf der Sivananda-Homepage. Im Vordergrund steht die so genannte Rishikesh-Reihe, die den Sonnegruß und zwölf Basis-Asanas beinhaltet: Sirsasana, Salamba Sarvangasana, Halasana, Matsyasana, Pascimottanasana, Bhujangasana, Salabasana, Dhanurasana, Ardha Matsyendrasana, Bakasana oder Pinchu Mayurasana, Uttanasana, Trikonasana. „Ein Gramm Praxis ist besser als Tonnen von Theorie“ wird Swami Sivananda gerne zitiert – im Sivananda Yoga ist es daher wichtig, den Schülern eine möglichst einprägsame Asana-Sequenz an die Hand zu geben, die sie gut zu Hause allein üben können.

Die folgenden Prinzipien gelten als Teil jeder Asana-Praxis.

2. Proper Breathing
Ziel von Atemübungen ist die Schaffung von Atembewusstsein, die Vertiefung der Atmung und die Beruhigung des Geistes. Die tiefe Bauch-, Brust- und Rachenatmung wird daher auch im Sivananda Yoga gelehrt, die Haupt-Pranayamas sind Kapalabhati und Anuloma Viloma.

3. Proper Relaxation
Sivananda Yoga setzt sich sehr mit der Lebensweise im Westen auseinander und will östliche Entspannungstechniken als Alternative zu Disco, TV und anderen Ablenkungsmanövern anbieten. Ziel der Entspannung ist, die Energie in die richtigen Bahnen zu lenken, den Geist zu beruhigen, die Muskeln zu lösen.

4. Proper Diet
Die yogische Diät in Sivanandas Sinn ist vegetarisch, einfach, leicht verdaulich. Ökologischer Anbau wird bevorzugt, die Nahrung sollte möglichst wenig verarbeitet werden. Daher seien Pflanzen, Früchte, Nüsse und Gemüse vorzuziehen, weil sie viel direkt aufgenommene Sonnenenergie speichern und daher einen hohen Ernährungswert hätten, heißt es bei den Sivananda Centern. Damit nimmt Sivananda Yoga Bezug auf die Veden, die Pflanzen als Osadio bezeichnen, als „Gefäße der direkten Umwandlung“ , und aus diesem Grund diese besonders zur Ernährung empfehlen. Fleisch, Fisch, Eier, Zwiebeln, Knoblauch, Kaffee, teeinhaltiger Tee, Alkohol oder Drogen sollten gemieden werden.

5. Meditation
Ein unruhiger Geist überdeckt das Selbst – das, was man auf dem Grund eines Sees sehen kann, aber eben nur, wenn die Oberfläche ruhig ist. Sivananda Yoga erachtet 14 Aspekte der Meditation (unter anderem Regelmäßigkeit) als wichtig. Es wird empfohlen, mindestens 30 Minuten täglich zu meditieren.

Aus diesen fünf Grundprinzipien ist zu erkennen, dass die Sivananda Yoga Center sich auf Allgemeingut des Yoga berufen. Sie sind sehr traditionell orientiert, versuchen, die Tiefe des Yoga dem westlichen Menschen zugänglich zu machen. Schon in ihrem Namen berufen sich die Center auf die Vedanta, also die Sichtweise (darshana), die die Einheit allen Seins vertritt. Tat Tvam Asi – Du bist Gott. Das sollen die Yoga-Schüler in ihrer inneren Zerrissenheit  erfahren. Patanjalis Yoga Sutras spielen demnach zwar auch eine Rolle, aber keine so explizite wie in anderen Schulen, da die Sutras von einer Dualität zwischen Individuum und Gott ausgehen, die aber im Yoga überwunden werden kann.

↑nach oben