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Wer hat nicht schon einmal mit dem Gedanken gespielt, seinem Körper etwas richtig Gutes zu tun und ihn mal ordentlich zu entgiften? Ayurveda - wörtlich übersetzt "das Wissen vom Leben" -, ist in diesem Zusammenhang ein Zauberwort. Pancha Karma, Entgiftung des Körpers von angesammeltem Karma, also quasi eine Reinwaschung von allen Sünden - Nikotin, Alkohol, Kaffee und mehr. Ein verführerischer Gedanke, all die über Jahrzehnte angesammelten Giftstoffe loszuwerden und sich sauber und rein wie ein Baby geradezu wiedergeboren zu fühlen. Dies gekoppelt mit dem Gedanken, dem grauseligen deutschen Winter zu entkommen und eine solche Kur in Indien, dem Ursprungland von Ayurveda, zu buchen, macht die Sache rund. Und los geht die Reise ins Unbekannte

 

Abfahrt Köln Hauptbahnhof, 8.00 morgens

Konfusion an den Gehsteigen: Verspätungen, Ausfälle, endlich ein Zug, der zum Flughafen nach Frankfurt fährt. Traumhaft schöne Fahrt durchs verschneite Rheinland. Kurz entschlossen habe ich eine Reise nach Indien gebucht, um dem langen, kalten Winter zu entkommen. Eine authentische Ayurveda-Kur zur Entgiftung von allerlei Giftstoffen... Nikotin, Rot- und Weißwein, vielleicht der eine oder andere ungesunde Happen. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet, aber ich träume von Sonne, Meer und Palmen. Der Zug braucht doppelt so lange wie der normale ICE. Leichte Nervosität. Schlechter Start, schlechtes Omen? Aber nicht doch, das Universum meint es gut mit mir. Auf den allerletzten Drücker bekomme ich den Flieger...

Die Fliegerei

Flug Frankfurt - Doha unspektakulär. Am Flughafen in Doha erste Begegnungen mit vielen vermeintlich finster dreinschauenden Männern und verhüllten Frauen. „Klar“, denke ich, „ich bin ja auch in einem arabischen Land.“ Am Gate nach Calicut erste Zweifel: 100 Männer, eine schwarz verhüllte Frau – und ich. "Aber da, wo ich hinfahre, ist bestimmt alles ganz anders", denke ich. Noch sehe ich mich im Bikini am Strand unter Palmen chillen.

 

Ankunft 6.30 h Ortszeit Calicut, Kerala, Indien

Kerala - neben Goa der Einsteigerstaat für Indienanfänger, so heißt es. Auch "land of the palm trees" (Kera = Palme) oder "God's own country" genannt. Klingt viel versprechend. Der Manager vom Ayur Greens, so der Name meiner Unterkunft, holt mich ab - klappt alles einwandfrei. Ca. 1 1/2 Stunden Fahrt über die Nationalstraße Nr. 17, die einzige Verbindungsstraße zwischen Nord- und Südkerala. Hier müssen alle entlang: Busse, Trucks, Autos - unglaublich viele Ambassadors - Tuk Tuks, Mopeds: Alle winden und überholen sich, gerne auch doppelt und dreifach, nach einem schwer durchschaubaren System.

Es ist schon recht heiß, staubig und irrsinnig laut. Es riecht überall verbrannt, mit Wohlwollen leicht nach Sandelholz, von den vielen Feuerchen, die am Straßenrand glimmen. Mit diesen versucht man den Müllmengen beizukommen, aber keine Chance, überall Müll. Aber auch überall Palmen am Straßenrand, knallbunte Häuser, viele mit Minaretten („Hm, komisch“, denke ich noch). Viele Menschen auf der Straße, hauptsächlich Männer in ihren Dothis, dem landestypischen Wickelrock für Männer. Alles ist ärmlich, ja, aber nicht bitter arm. Die Sonne geht auf. Ich entspanne mich, fühle mich wohl. Endlich wieder Asien! Noch denke ich, wir biegen irgendwann ab, in eine ruhige Gegend, wo man nur noch das Meer rauschen hört...

 

Ankunft Ayur Greens

Eine Schar von kleinen Inderinnen - Ärztinnen und Therapeutinnen, Service-Damen, Putzfrauen, alle bunt gemischt -, empfängt mich. Sehr süß, mit einer Jasmin Kette und breitem Lächeln. Und die ganze Nachbarschaft steht parat, um mich zu begutachten. Denn: Nicht-Inder sind hier noch eine echte Attraktion! Die wenigen Ausländer gibt es nur bei Dr. Ashgar. Und das im Umkreis von ich weiß nicht wie vielen Kilometern. Tourismus gibt es hier nicht - das Ayur Greens ist kein Touri-Ressort, sondern ein Hospital. Alle lächeln freundlich, wackeln mit dem Kopf und rollen mit den Augen. Das Kopfwackeln kann, wie sich herausstellt, alles Mögliche bedeuten: Begrüßung, nein, ja, vielleicht, ich weiß nicht, achja, erzähl mal, was du nicht sagst, ... und wahrscheinlich noch vieles mehr.

 

Ich werde an der Hand genommen und rumgeführt. Stolz zeigt man mir das Beratungszimmer von Dr. Ashgar, eine Berühmtheit hierzulande, dem man heilende Hände nachsagt. Die Behandlungszimmer mit den selbst gemachten Holzliegen für die Ölanwendungen. Die Apotheke, in der die Dorfbewohner selbst gemachte Medikamente kaufen. Das Häuschen, in dem die Medikamente und Öle selbst hergestellt werden. Am Ende der Tour kommen wir auf die Dachterrasse, dem zentralen Ort des Hauses: Hier wird gegessen, hier kommt man zusammen, hier wird unterrichtet, yogiert, oder einfach in der Hängematte gechillt. Kein Wunder, die Zimmer sind winzig, da will man sich nicht aufhalten. Ich habe Glück, mein Zimmer im Nebenhaus ist groß und geräumig und mit eigener Terrasse. Alles ist rustikal, schlicht, aber prima in Schuss und piccobello sauber. Und verrrry authentic!!! Soweit so gut.

 

Aber ...

Dr. Ashgars Ayur Greens liegt mitten in einem Wohnviertel (schön), gerade mal 50 Meter von besagter Nationalstraße Nr. 17 entfernt (nicht schön!). Die Geräuschkulisse ist unbeschreiblich: Besagte Trucks, Busse, Autos, Tuk Tuks, Mopeds, rauschen vorbei und hupen bei jedem Überholmanöuver – also alle drei Sekunden. Das Ganze vermischt sich mit den durchaus angenehmen, aber auch recht lauten nachbarschaftlichen Geräuschen: auf Palmen rumhacken, umfallende Palmen, quatschende Menschen, die ihre Wäsche „schlagen“ und so reinigen, schreiende Kinder, laute indische Musik, rollige Katzen, Hähne, unglaublich viele Vögel, insbesondere erstaunlicherweise Krähen, das Rauschen des Windes in den Palmen, Grillen, der schreiende Fischhändler, der klappernde Nüsschenmann... und vieles mehr, das ich gar nicht identifizieren kann. Und das die ganze Zeit, Tag und Nacht (na gut, nachts ein bisschen weniger). Ein unglaublicher Cocktail von Geräuschen, der schier unerträglich erscheint.

Ach ja, und alle paar Stunden ruft der Muezzin. Ist doch idyllisch, könnte man sagen. Hat ja auch Charme, keine Frage. Aber: Der Muslim und auch der Hindu haben die Frau eher gerne verhüllt. Wenn man also nicht weiter auffallen will, als man eh schon auffällt, und man die Gebräuche respektieren will, was ja Sinn macht, dann sind hier weder Bikinis noch Spaghetti Tops angesagt, sondern Kurtas, lange alles verhüllende Blusen. Jederzeit und überall, auch am Strand. Schlagartig wird mir bewusst: Chillen am Strand im Bikini ist nicht.

 

1. Frühstück

Diese Befürchtung bestätigt mir dann auch Silvia, eine erfahrene Indienreisende, die irgendwie zum Inventar vom Ayur Greens gehört. Sie nimmt mich sofort unter ihre Fittiche und weist mich ein, stellt mich jedem vor, erklärt mir alles. Ein Wirrwarr an Namen und Gesichtern prasselt auf mich ein. Ich bin wie in Wattebäuschen gepackt. Silvias Erläuterungen ergießen sich beim Frühstück wie ein Wasserfall über mich. Ich versuche korrekt zu essen, nämlich mit der rechten Hand, ohne Besteck. Die linke Hand ist für Pfui-Sachen, bei Tisch wird sie also nicht benutzt. Recht mühselige Angelegenheit und weitaus weniger spaßig, als man so denkt. Genau genommen eine ziemliche Sauerei. Raquel und Shannon, die sich in ayurvedischer Massage ausbilden lassen, sitzen mir gegenüber und sind total unbeteiligt. Wahrscheinlich kennen sie Silvias Einführungsrede schon. Der krank aussehende Richard, der zur Behandlung hier ist, löffelt schweigsam und verständlicherweise recht freudlos seine Reissuppe, während wir anderen köstliches indisches Essen futtern. Das kann ja heiter werden mit den Leutchen hier. Wenigstens sehr gutes Essen - ein Lichtblick!

Ärztliche Konsultation

10.00: Dr. Ashgar erscheint mit seiner Assistentin Dr. Jayesrii. Puls fühlen, tausend Fragen zu Ess-, Verdauungs- und Lebensgewohnheiten, Untersuchung durch Abtasten, Vermessung meines Körpers durch seine Assistentin. Warum ich hier bin, will er wissen. Gute Frage, sofort regt sich ein spontaner Fluchtreflex. Aber ich höre mich sagen: "Entgiften von 30 Jahren rauchen. Und ein bisschen abnehmen ist auch immer gut." Als er mir erläutert, dass ich während der Entgiftungskur, Pancha Karma genannt, neben den Massagen und einer sich täglich steigernden Menge Ghee (geklärte Butter) zur eigentlichen Reinigung vom hiesigen Medizinmann ordentlich was zum Erbrechen und Abführen bekomme, ist es vorbei mit meiner Fassung. Hilfe, wo bin ich hier gelandet? Total übermüdet und verzweifelt breche ich erstmal in Tränen aus und will am liebsten sofort abreisen. Dr. Ashgar wackelt mit dem Kopf und rollt mit den Augen...

Mittwoch, 2 1/2 Wochen später

Um es vorweg zu nehmen: Der Anreiseschock ist überwunden und ich habe mich super eingelebt. Der Abgleich zwischen meinen Erwartungen und den tatsächlichen Gegebenheiten war recht holprig, aber die yogisch-kölsche Natur à la "et is wie et is" und „et kütt wie et kütt" ist ja doch sehr hilfreich, um mit den Unwägbarkeiten des Lebens umzugehen. Und ich gewinne dieser meiner verrrry authentischen Ayurveda-Erfahrung durchaus viel Positives ab. Denn: Das Leben ist ein langer ruhiger Ayurveda-Fluss. Fast drei Wochen bin ich jetzt hier, vollkommen abgetaucht im Hier und Jetzt. Mit einer nicht enden wollende Folge von Behandlungen, Yoga, Rumhängen, ein paar Ausflügen... die ausschließliche Beschäftigung mit mir selbst und meinem Körper. Selten zuvor war mein Leben so simpel strukturiert.

Ein Tag im Detox-Leben

Im Ayur Greens herrscht eine strenge Hausordnung: striktes Rauch- und Alkoholverbot, man wird angehalten, spätestens um 22.00 in der Heia zu liegen und sich angemessen zu kleiden. Selbstverständlich bin ich dank Silvia mit einer kleinen Kollektion Kurtas versorgt, sodass ich alle Anforderungen problemlos erfüllen kann. Meinen Freunden musste ich allerdings die Hausordnung mailen, damit sie mir das glauben.

 

5.30 h – der Muezzin ruft. Darunter mischt sich entfernter der Gesang der Puja (Gebetszeremonie) im nahen Krishna Tempel. Weil ich eh nicht schlafen kann, springe ich geradezu aus dem Bett und genieße das Yogieren auf der Dachterasse von 6.00 h - 7.30 h bei angenehmen „kühlen“ 27 Grad. Silvia und Geni sind auch da und yogieren oder meditieren vor sich hin. Letztere ist einen Tag nach mir angereist, meine Detoxgenossin und sehr nett und witzig. Geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid. Wunderschöne Atmosphäre, noch relativ ruhig und kühl, Übergang von schwarz auf blau auf hell.

 

 

8.00 - 9.00 Yoga Indian Style

Danach das zweite Highlight des Tages: Beenas Spezial-Gewürztee, den sie nur für Geni, Manu und mich braut. Manu, ein waschechter Pariser, ist seit knapp zwei Wochen eine wahre Bereicherung unserer munteren Damenwelt. Das Schönste an ihm: Er lacht wie ein gackerndes Huhn und dies sehr häufig. Und er hat die Detox-Kur noch vor sich und wir dürfen ihm dabei zuschauen. Beim Tee trinken warten wir auf den Yoga Master.

Dieser kommt nämlich außer in der ersten Woche fast jeden zweiten Tag gegen 8.00 Uhr auf seinem Motorrad angebraust. Und die Freude ist groß. Wir sitzen alle auf unseren Matten und lauschen seinen Worten – was durch Zweierlei erschwert wird: durch den doch langsam anschwellenden Lärm der Straße und durch den unbeschreiblichen Slang der Inder, wenn sie Englisch sprechen. Abends gleichen wir unsere Notizen ab, um aus dem, was wir meinen verstanden zu haben, Sinn zu machen – sehr witzig, was dabei rauskommt. Der Master lehrt Indian Yoga Style, verrry old fashioned. Also keine Yogastunde wie wir sie im Westen kennen, sondern eher eine Art Vorlesung und Demonstration. Ein echter Master, ich bin schwer beeindruckt.

 

Heiraten Hindu Style

In der ersten Woche kam der Yoga Master übrigens nicht, weil er die Hochzeit seiner Nichte vorbereiten musste. Was den erfreulichen Nebeneffekt hatte, dass wir bei der Zeremonie dabei sein konnten. Eine echte Hindu-Hochzeit – ein unglaubliches Spektakel. Das ganze Dorf und die weitläufige Verwandtschaft sind eingeladen – eine „kleine“ Hochzeit mit nur rund 300 Gästen. Alle versuchen, während der Zeremonie einen Blick auf das Paar zu erhaschen, alle fotografieren wie wild. Danach werden in einem Affentempo eben jene 300 Menschen verköstigt: Bananenblatt auf Tisch, Reis auf Bananenblatt, diverse Saucen, Dips und Curries auf Reis, in Windeseile essen, Bananenblatt zuklappen, aufstehen und weg. Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei. Zumindest dieser Teil der Hochzeit, gefeiert wird insgesamt gerne über mehrere Tage.

 

9.00 h Frühstück

Fünf lange Tage lang zum Frühstück auf nüchternen Magen Ghee trinken, also flüssige geklärte Butter. Mit steigendem Schwierigkeitsgrad, in der Spitze 175 ml, fast ein Kölschglas voll! Nein, nicht lecker. Beena, eine meiner Therapeutinnen, passt auf wie ein Schießhund, dass ich auch wirklich alles trinke. Vielen wird schlecht davon, aber ich habe scheint's einen Magen wie ein Pferd. Tagsüber Kannenweise heißes Ingwerwasser, um das Zeug zu verdauen, Schwerstarbeit. Und jetzt weiß ich auch, was „clear burbs“ sind - erst wenn die Bäuerchen nicht mehr nach Ghee schmecken (nein, immer noch nicht lecker), darf ich was essen.

 

 

Teufelstrunk aus der Hölle: Nach der Ghee-Trink-Phase steht die eigentliche Entgiftung an: das Abführen. Ich trinke morgens einen Trunk, den der Medizinmann höchstpersönlich gebraut hat und der – dem Geschmack nach zu urteilen – direkt aus der Hölle kommt. Der 75 Jahre alte Medizinmann und seine Gehilfen bereiten selbst Medikamente, Pasten und Öle zu - so auch den Teufelstrunk zum Abführen. Was ein wenig mittelalterlich anmutet, ist in der Tat eine jahrtausende alten Tradition, die seit Generationen in der Familie weitergegeben wird.

 

Der Höhepunkt der Entgiftungskur erweist sich als relativ unspektakulär. Wie das halt so ist, wenn man sich den halben Tag möglichst nah bei der Toilette aufhalten soll. Außerdem wusste ich ja, was auf mich zukommt und habe die letzten zwei Tage entsprechend vorsichtig Nahrung zu mir genommen, um das Unausweichliche so sanft wie möglich hinter mich zu bringen. Was wohl nicht jeder beherzigt – der Rekord liegt angeblich bei 30 Gängen.

Nach 10 Tagen darf ich frühstücken, was ich will, und kann mich endlich an den frischen Ananas, Papayas und Wassermelonen berauschen - köstlich.

Vormittags und nachmittags: Massagen!

Die Massagen, hier Behandlung genannt, sind ein Traum. Im quitschgrünen bodenlangen Kittel verlasse ich "mein" Haus, plaudere mit "meinen" Nachbarn, die nach und nach immer zutraulicher werden, und mich zum Tee einladen oder über den Zaun ein Schwätzchen halten wollen. Für den eigentlich 2-minütigen Weg zum Haupthaus muss ich immer mehr Zeit einplanen. Ich treffe Beena und Bindisi, meine beiden Therapeutinnen. Die beiden verwöhnen mich nach Strich und Faden.

 

Während der Ghee-Trink-Phase: vierhändige Ganzkörpermassage mit warmem Öl namens Abbhyanga. Das lockert die Giftstoffe im Körper und die abgelagerten Gifte werden sozusagen von zwei Seiten in die Mangel genommen, innerlich durch das Ghee und äußerlich durch die Massage. Und nichts von wegen verschämt Busen und Allerwertesten aussparen, wie das bei uns üblich ist, - ne ne, Hands full on, überall. Natürlich ist man nackert, bis auf ein lustiges Lätzchen (Lenturgi) für den Schambereich, das die beiden mir liebevoll umbinden.

Danach 5 - 10 Minuten ab in den Schwitzkasten, Swidhana genannt. Die Hitze verflüssigt die Giftstoffe, sodass ein Teil der Gifte direkt über die Haut abtransportiert wird. Sieht aus wie ein mittelalterliches Folterinstrument. Man sitzt in einem Kasten und nur der Kopf guckt raus. Sehr heißer Dampf wird solange in den Kasten über einen Schlauch eingeführt, bis man ordentlich schwitzt. Sauna leicht gemacht.

 

Kaum bin ich nach der Ghee-Prozedur und dem Abführen komplett entgiftet, rücken meine Therapeutinnen meinem Speck auf den Leib – mit einer Puder-Fett-Weg-Rubbel-Massage, die sich Udvarthanam nennt. Ein aus allerlei Kräuterchen und Samen hergestelltes Puder wird erhitzt, sodass es lecker nach gerösteten Nüssen riecht. Die Zutaten variieren, je nachdem welcher Effekt erzielt werden soll. In meinem Fall bricht das Puder die Fettzellen auf, reduziert das Fett unter der Haut und befreit überschüssiges Fett aus den Fettzellen. Wohl denn, finde ich gut. Sogleich wird das Puder auf meinem Körper verteilt und einmassiert – unter Hochdruck! Wer hätte gedacht, dass in den kleinen Händchen der Therapeutinnen solche Kräfte stecken. Nach zwei Tagen habe ich blaue Flecken an den Hüften und Knien, denn – wen wundert’s – es trifft hauptsächlich meine Oberschenkel und den Allerwertesten. Kleiner innerer Vorbeimarsch: Sie wollen meine Arme und meinen Bauch nicht massieren, weil dort ja kein Fett sei! Ha!

Weiter geht es mit einer Wassermassage, Danyamladhara. Das Wasser ist „medicated“ und gut gegen Gelenkschmerzen. Außerdem bringt das fast heiße Wasser mein Fett zum Schmelzen, feine Sache. Vierhändig werde ich stetig mit Wasser übergossen, eine dritte Therapeutin füllt die Kannen auf. Beena summt Hindu-Lieder, dazu die Wärme und das Wassergeplätscher – ich fühle mich wie im Mutterleib, warm, weich, wohlig.

Oder die Säckchen-Stempel-Massage PatraPolaSweda, die sich anfühlt, als würde man gebügelt. Kleine Säckchen mit allerlei Kräutern werden erhitzt und in Öl getunkt und dann erst wie Stempel auf den Körper gepresst und dann wie ein Bügeleisen hin und her geschoben. Auch wieder gut gegen Glieder- und Gelenkschmerzen jedweder Art, stärkt die Blutzirkulation, also alles in allem verjüngend – kann ja nie schaden.

Oder Kopf- und Gesichtsmassagen, die einfach nur schön sind. Sie entspannen und aktivieren die Kopfhaut und das Gesicht, sind gut gegen Haarausfall und Falten. Wunderbar, außer dass man ständig ölige Haare hat, vor denen jedes Shampoo kapituliert.

Und immer wieder der klassische Stirnguss, Sirodhara: 5 Liter Öl werden auf der Stirn und in den Haaren verteilt und sanft weggestreichelt. Mit Augenklappen und Ohrstöpseln versehen tauche ich in andere Welten ab. Tiefenentspannung pur.

 

Ich genieße jede Behandlungen jede Sekunde. Außer vielleicht die Medicated-Ghee-in-Auge-Nummer, Tarpanam genannt, die ist nicht schön. Das ist genau so eklig wie es sich anhört. Aus Teig wird eine Art Taucherbrille geformt und der Gesichtsform angepasst. In diese Förmchen wird warmes flüssiges Ghee auf die Augen geträufelt. Langsam die Augen öffnen: La vie en jaune und alles verschwommen. Man hatte mir vorher gesagt, es könne ein wenig brennen. Sehr witzig. Heftiges Blinzeln gegen das höllische Brennen. Nach ein paar Minuten gebe ich auf: pain, pain, no more. Die Reaktionen sind wohl unterschiedlich: manche vertragen die Behandlungen ohne Probleme, bei manchen juckt es nur ein wenig. Wenn alles gut geht, bewirkt die Behandlung, dass sich die Sehkraft nicht verschlechtert. Danach muss man eine Stunde mit geschlossenen Augen ruhen. Was ich sehr gerne tue. Es ist ja bekanntlich schön, wenn der Schmerz nachlässt.

Auch Nasya – Öl-in-Nase – war eher unter experimentellen Gesichtspunkten interessant. Medicated oil wird in die Nase geträufelt, zum Zwecke der Hals- und Kopfreinigung. Ist nicht weiter schlimm, aber auch nicht besonders appetitlich und mit viel Rotzerei verbunden.

Aber der Rest – ein absoluter unendlicher Traum – bis zu drei Stunden am Tag! Zum Abschluss ist immer Ganzkörperabrubbeln mit einem rauen Handtuch. Ich bin im Himmel! Im grünen Kittel schnell an den im Wartebereich sitzenden, meist verhüllten Patientinnen und ihren Ehemännern vorbeihuschen, die auf Dr. Ashagr warten. Nachdem er vormittags im hiesigen „normalen“ Krankenhaus arbeitet, behandelt er nachmittags nämlich die Dorfbewohner.

Ayurvedische Pillen - Natur pur

Parallel zu den Massagen schlucke ich seit dem Abführen dreimal am Tag ohne mit der Wimper zu zucken irgendwelche ayurvedischen Schlankmach-Medikamente, die das Kapha, also die Trägheit in mir, reduzieren, Fett auflösen (einfach so? super!) und somit den Fettanteil im Körper reduzieren, zudem noch gut für die Haut- und Muskelstruktur und insgesamt gut gegen „Obesity“ sein sollen. Obesity? Ich glaube, ich habe mich verhört. Fettleibig? Fettsüchtig? Moi? Ich bin empört. Wollen wir mal hoffen, dass es sich hier um eine sprachliche Ungenauigkeit handelt. Ich bin nämlich gar nicht fettleibig! Vielleicht ein bisschen kräftig, aber NICHT fettleibig. Alle Medikamente bestehen aus 6 – 20 unterschiedlichen, aber natürlich rein pflanzlichen Zutaten und sind ohne Nebenwirkungen. Es könne wohl während der Behandlungen zu Unregelmäßigkeiten bei der Verdauung und im Schlafverhalten kommen, was sich aber nicht nur wieder eingroovt, sondern nach der Behandlung sogar effektiver werden soll. Man arbeite effektiver, schlafe effektiver, verdaue effektiver, wäre insgesamt fitter und wacher. So sagt zumindest der Herr Doktor. Vor Ort schlafe ich eher schlecht – aber das liegt wohl am Nikotin- und Alkoholentzug.

Was vom Tage übrig bleibt

Mittagessen: Kann man sich auf Reissuppe freuen? Ja, wenn man sonst nichts bekommt. Sehnsüchtig beäuge ich die vielen Curries, Dals, Subjis, Chapatis, alle möglichen Reisvariationen, massig frische Früchte – das Personal zaubert eine unglaubliche Auswahl auf den Tisch. Nach 10 Tagen Darben darf ich auch hier zulangen. Alle Bedien-Damen sind herzallerliebst, super freundlich und sehr bemüht. Die Kommunikation ist manchmal ein bisschen schwierig und mit viel Kopf wackeln und Augen rollen verbunden... aber irgendwie geht es immer und es ist super witzig. Lachen ist jenseits von Sprache.

Gegen 13.30 h: die heißeste Zeit des Tages. Wenn nichts anderes ansteht, ziehe ich mich auf meine Terrasse zurück. Mit Sarong raus, schnell flach hinlegen, dann kann ich im Bikini sein, ohne dass mich jemand sieht. Glaube und hoffe ich zumindest, sonst gibt es Schimpfe. Keine Klamotten anhaben – eine Wohltat bei 34 Grad.

Immer wieder zwischendurch: Zwischen den Behandlungen je nachdem, was ansteht. Mailen und skypen - die Technik funktioniert einwandfrei. Oder ein ayurvedischer Kochkurs, gehalten von Dr. Ashgars Frau – das Resultat riecht köstlich, leider darf ich während der Ghee-Trink-Phase nicht probieren. Oder immer wieder kleine Einblicke ins normale indische Leben. Ausflüge mit dem Tuk Tuk in die nahen "Städte" Mahe oder Terrygerry. Oder mit einer Nachbarin zur Puja, der Gebetszeremonie im hiesigen Tempel. Oder ein Besuch bei einem Therapeuten, der eigene Medikamente, aber auch Beauty-Produkte herstellt. Habe ein Puder gekauft, das angeblich schon nach einer Woche deutlich die Falten mildert. Bin sehr gespannt. Solche Sachen arrangiert Silvia, die sich als echtes Goldstück entpuppt. Oder Tee trinken bei den Nachbarn, die alle sehr nett, offen und neugierig sind. Oder Sonntagsausflüge, die Dr. Ashgar organisiert. Nach dem zweiten Sonntag kennen wir die Kassette mit den Hindu-Liedern auswendig und können sogar die einzelnen Lieder voneinander unterscheiden und mitsummen.

 

Gegen 17.00 h wird die Hitze erträglich und man kann in die Sonne gehen. Mit Catherine, einer sehr netten Kanadierin, die zum Medizinmachen-Studium hier ist und ebenso wie Geni einen Tag nach mir angereist ist, gehe ich so oft es geht zum Strand. Wir sind DIE Attraktion! Auf dem Weg zum Strand durch das Wohngebiet überall Kinder: Name please, hello hello, lachende Gesichter. Auch die Frauen lächeln uns an, die jungen offen und breit, die älteren zurückhaltender. Und alle wollen ihre Englischkenntnisse an uns ausprobieren.

 

Am Strand selbst massenweise Männer, die Fußball spielen oder einfach nur rumsitzen. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber o.k. Angst braucht man nicht zu haben, es ist für die Dorfbewohner vollkommen undenkbar, Dr. Ashgars Patienten zu belästigen. Und jeder weiß natürlich, dass wir dort hingehören. Was sich als sehr praktisch erweist: Der breite Sandstrand ist von einer Palmenkette gesäumt, dahinter gibt es ein paar Häuser, aber sonst wenig Orientierungspunkte. Wenn wir den falschen Weg einschlagen, gibt es direkt Geschrei und wir werden auf den richtigen Pfad dirigiert. Die Ruhe am Strand, die frische Brise und die Bewegung nach der ganzen Abhängerei auf der Terrasse sind Genuss pur. Und ganz hübsch ist es auch. Hier zu schwimmen ist allerdings nur was für Hartgesottene: Selbst wenn man sich mit dem bodenlangen Nachthemd als „Badeanzug“ anfreunden kann, bleibt noch der obligatorische Müll am Strand und im Wasser als Hürde auf dem Weg zu ungetrübten Badefreuden.

 

19.30 h Abendessen: Wieder eine reiche Auswahl an Köstlichkeiten, mit dem großen Unterschied, dass ich von Anfang an von allem probieren darf. Ein Fest! Dazu leckeres Ingwerwasser. Für eine, die sonst eher gutem Rotwein zugetan ist, eine gute Übung, innere Gelassenheit zu entwickeln. Dr. Ashgar geht nach dem Essen rum und bespricht mit jedem seiner Patienten die Befindlichkeiten des Tages. Er will alles wissen, wann, wieviel etc. - schon komisch.

Nach fünf Tagen Ghee trinken habe ich das Maximum an „Oleation“ erreicht - fühle mich allerdings auch wie eine Foi Gras, innen und außen total ölig und fettig. Noch schnell abführen und dann normal essen - ein Geschenk des Himmels! Erstaunlich, wie bescheiden man doch wird. Das Erbrechen bleibt mir übrigens erspart, weil mein Pita wohl wieder in Balance ist. Oder so ähnlich, bei den erklärenden Details kann ich dem Herrn Doktor nur schlecht folgen. Dankbarkeit macht sich in mir breit.

Nach der "Visite" hocken alle noch eine Weile rum, Gäste, Personal, Therapeuten bunt gemischt, wie eine große Familie. Gegen 21.00 gehen die meisten ins Bett. Geni und ich sind gegen 22.00, 22.30, manchmal sogar unglaubliche 23.00 die letzten... wie immer. Klimaanlage an, Ohrstöpsel rein und schlafen bis der Muezzin wieder ruft.

 

Resultat: 4 Kilo leichtere Nichtraucherin!

Spannung! Am letzten Tag werde ich wieder vermessen und auf die Waage gestellt. Tatsächlich, an allen Messstellen deutlich weniger Zentimeter und 4 Kilo weniger! Wie es weitergeht, möchte ich wissen. Drei Monate soll ich die Medikamente weiter nehmen und beim Essen aufpassen – wusste ich’s doch, dass irgendwo ein Haken ist. Kein Fleisch, kein Fisch, kein Fett, keine Milchprodukte, keine Pasta, keine Nüsse bzw. all das in sehr geringem Maße. Keine Limits bei Obst und Gemüse, na toll. Einmal die Woche Fasten und einmal im Monat Abführen. Nach einem Jahr den ganzen Spaß wiederholen – wieder mindestens zwei Wochen Pancha Karma.

Auf die Frage, ob man nicht einfach die Pillen nehmen kann und gut ist, antwortet Dr. Ashgar mit freundlichem Kopfwackeln: Das wäre so, als würde man ein Hemd nicht waschen, sondern nur mit Frischduft besprühen und bügeln. Das sei keine wirkliche Entgiftung, keine wirkliche Reinigung. Das hätte keinen wirklichen Verjüngungseffekt, sei nicht wirklich anti-aging und nicht wirklich anti-obesity. Das leuchtet ein. Und die Palette der Schlüsselwörter, mit denen man jede Frau kriegt, hat er auch drauf. Außer das mit dem bösen Obesity-Wort. Für Fettleibigkeit muss er sich noch ein netteres Wort einfallen lassen – dann bin ich nächstes Jahr wieder dabei.

Ach ja, da war doch noch was: Ich habe tatsächlich mit dem Rauchen aufgehört. En passant, geradezu nebenbei ist das einfach irgendwie geschehen, ohne dass es mir großartig schwer gefallen wäre. Vielleicht ist mein Körper ja echt froh, dass er den Quatsch nicht mehr verarbeiten muss.

 

Fazit

Wer nicht unbedingt beachen will, nicht lärmempfindlich ist, sondern für seine Ayurveda-Kur ein wirklich authentisches, absolut untouristisches Umfeld einem Touristen-Ressort vorzieht, in den Genuss von hervorragenden Behandlungen und Massagen kommen möchte, und zudem unverdorbene indische Herzlichkeit und Gastfreundschaft genießen möchte, der ist im Ayur Greens allerbestens aufgehoben. Mehr Info über Ayurveda und zum Ayurveda Hospital unter www.ayugreen.com.