Aus den Veden, den ältesten Schriftensammlungen des spirituellen, philosophischen und wissenschaftlichen Wissens Indiens (vor 1.000 v. Chr.) geht hervor, dass Yoga in der Frühzeit im Kontext religiöser Opferhandlungen und mystischer Ekstasetechniken praktiziert wurde. Die Weitergabe von Wissen oblag der höchsten Gesellschaftskaste, den Brahmanen (Priester und Weise); sie erfolgte im Rahmen eines engen Lehrer-Schüler-Verhältnisses – mündlich, durch Rezitation, bei der das Wissen wortgetreu weitergegeben wurde. Denn die Worte der Veden galten als göttliche Offenbarung, welche die Brahmanen in tiefer Meditation empfangen hatten, und durften nicht verändert werden. Opferhandlungen und Ekstaserituale dienten dazu, die angerufenen Götter milde zu stimmen und den Erfolg der Opfergabe zu garantieren. Diese Praktiken wurden im Laufe der Jahrhunderte komplexer und die Anstrengungen der Ausübenden immer größer. Sogenannte Fakire, Mitglieder religiöser Hindu-Orden, versuchen sich bis in unsere Zeit in Übungen extremer Askese und des Yoga, um sich auf diese Weise von der Sinnenwelt zu lösen (und die Götter gut zu stimmen).
Nachdem die religiös geprägten Opferrituale und Yoga-Praktiken immer extremer wurden, wurden sie im Laufe der Zeit zunehmend in Frage gestellt. Durch erste Niederschriften der Veden um 1.000 v. Chr. wurde das – bisher ausschließlich von den Brahmanen gehütete – Wissen erstmals breiter zugänglich gemacht (wenngleich auch nach wie vor nur einer kleinen lesenden Minderheit) und bot eine Grundlage für Diskussionen und Reflexionen. Die Gespräche über die vedischen Texte zwischen Lehrer und Schüler berührten die elementaren Fragen der Menschheit und der Welt; sie wurden um 800 v. Chr. in den Upanishaden zusammengefasst, die als Essenz der Veden betrachtet werden können.
In den Upanishaden findet sich eine Fülle von Kommentaren, die im Laufe der Jahrhunderte ihrerseits wieder kommentiert wurden. In ihnen wird der philosophische Kerngedanke entwickelt, dass alles Eins ist – und demzufolge Gott in allem und alles in Gott ist. Durch dieses neue Weltbild wurden die ehemals religiös geprägten Opferrituale überflüssig – wurde nun doch das eigene Selbst ebenfalls als göttlich aufgefasst. Im Zuge dessen verlagerte sich auch der Schwerpunkt der Yoga-Praxis, die sich zunehmend darauf ausrichtete, durch Meditation das wahre Selbst – Atman genannt – zu erkennen.